Unter dem Titel „Strukturwandel braucht Kulturwandel – äußerer Wandel braucht inneren Wandel: Haltungsbildung in schulischen Transformationsprozessen“ tauchten die Teilnehmenden mit dem Dozenten in die Tiefe und Tragweite der kulturellen Dimension von Bildung für nachhaltige Entwicklung ein.
Aus einem systematischen Blick auf die „Vielfachkrise“ unserer Zeit resultierte die Frage: „Welche Bildung braucht es in der Welt, wie wir sie kennen?“ Diese Frage offenbart die Tragweite von BNE als holistischem Ansatz in der Schule, mit dem Themen und Herausforderungen von Inklusion bis Digitalität bearbeitet werden können.
Es ging aber nicht allein um die Theorie des notwendigen kulturellen Wandels, sondern um die Wünsche und Bedarfe der Lehrenden in Niedersachsen. Die Teilnehmenden wurden gebeten, den nachfolgenden Satzanfang zu vervollständigen:
„Ich setze mich für schulischen Wandel ein, weil/damit…“
Frust und Ratlosigkeit wurden in Aussagen wie ‚weil es so nicht mehr geht‘, ‚weil wir Lehrende uns nicht dauernd im bürokratischen Klein-Klein verrennen dürfen‘ oder ‚weil ich nicht mehr hinterherrennen will, sondern will, dass die Schülerinnen und Schüler ihr eigenes Feuer finden‘ ebenso deutlich wie große Ziele, die sich sehr konkret im Konzept der BNE wiederfinden:
- …weil ich mir mehr Bildungsgerechtigkeit wünsche.
- …damit alle ihr inneres „Feuer“ finden und ein Ziel in ihrem Leben erkennen.
- …damit zukünftige Generationen den kommenden Herausforderungen gewachsen sind.
- …damit Kinder heute das lernen können, was sie für ihr zukünftiges Leben brauchen, um ein selbstständiges und zufriedenes Leben führen zu können.
- …dass selbstbestimmtes Lernen für alle ermöglicht wird und Werte die Demokratie tragen.
- …dass jede*r erkennt, wie wichtig er/sie ist, gehört wird und zum „Großen und Ganzen“ beiträgt — vom Ich zum Wir.
Durch Holthoffs Erläuterungen wurde schnell deutlich: Schule, die im Sinne von BNE gestaltet wird, hat gute Chancen, diese Wünsche, Nöte und Bedürfnisse angemessen zu beantworten — denn sie „(f)ördert die Werte, Beziehungen und Kompetenzen für eine Teilhabe an der Transformationsgesellschaft“.
An dieser Stelle verwies Holthoff auf den ‚Heimlichen Lehrplan‘, den Margret Rasfeld von Schule im Aufbruch in ihrem Buch „Das Schuldrama“ skizziert, und betonte: „Schulen prägen Einstellungen und Haltungen maßgeblich.“ Wie wir einander in der Schule begegnen und welchen Werten und Idealen die Schulen mit ihrem Leitbild und ihrer täglichen Praxis folgen, entscheidet über das Miteinander unserer zukünftigen Gesellschaft. Gerade in Zeiten, in denen die Gesellschaft gespaltener denn je erscheint und extreme Positionen an Zulauf gewinnen, ist dieser Gedanke besonders relevant. Schulen sind die Zukunftsschmieden unserer Gesellschaft.
Der Dozent brachte außerdem systematische Ansätze zum Neudenken mit: Welche Ebenen und Handlungsfelder Schule systematisch bespielen kann, skizzierte er anhand eines erweiterten 4-Quadranten-Modells der Integralen Theorie nach Ken Wilber. Und wie Handeln sinnvoll und nachhaltig verändert werden kann, sodass zeitgemäßes Lernen unter besseren Umständen möglich wird, veranschaulichte er anhand der „Inner Development Goals“ (IDGs). Während die weitaus bekannteren 17 Nachhaltigkeitsziele der UN (SDGs) als Handlungssysteme für Staaten verstanden werden, bieten die IDGs Orientierung für das Handeln von Individuen und Organisationen.
Welche Chancen bietet das Konzept für Schulen?
Eine Orientierung an den IDGs ermöglicht es, Schule als Erfahrungsraum neu zu begreifen — einen Raum, der auf das gesellschaftliche Leben im schnellen Wandel vorbereitet — und ihn so auszugestalten, dass Lernende die dafür elementaren intra- und interpersonellen Kompetenzen entwickeln können.
Abschließend reflektierten die Teilnehmenden in Kleingruppen, wo und wie diese Haltungen und Fähigkeiten in der Schulkultur (insbesondere in schulischer Leitung und Teamarbeit) gestärkt und gelebt werden können. Ihre Ergebnisse trugen die Gruppen auf einem interaktiven Whiteboard zusammen, das Sie unten bestaunen können. Vielleicht finden auch Sie so einen Ansatz, Ihre schulischen und organisationalen — oder auch privaten — Beziehungen fortan bewusster und ganzheitlicher nachhaltig zu gestalten!
Timo Holthoff ist freier Bildner, Autor und Organisationsberater für transformativem Lernen und die ganzheitliche Transformation von Bildungseinrichtungen; u. a. ist er im Auftrag von Schule im Aufbruch unterwegs. Sein Fokus liegt auf dem systemischen Zusammenspiel von inneren und äußeren Veränderungsprozessen — auf persönlicher, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene.