Die Miniserie Adolescence von Netflix hat in Politik, Gesellschaft, vor allem im Bildungssystem eine Debatte um den Umgang mit dem Einfluss von Social Media auf junge Menschen ausgelöst. Die Serie behandelt die Themen toxische Männlichkeit, die Folgen der Incel-Bewegung und den Einfluss von Persönlichkeiten wie Andrew Tate über Social Media auf eine ganze Generation. Nachdem der 13-Jährige Jamie seine Mitschülerin ermordet hat, versuchen die Menschen aus seinem Umfeld herauszufinden, was sein Motiv für die Tat war. "Die Serie stellt ihre bedrückende These auf: Es gibt nicht das eine Motiv, sondern viele", schreibt die taz. So wird ein komplexes Bild von Ursachen und Wirkungen gesponnen, das aus dem familiären und dem schulischen Umfeld, der Peer-Group, dem Einfluss von Social Media und Cybermobbing erwächst.
Die Serie befasst sich mit einem ernstzunehmenden Phänomen, das sich in der Realität der jungen Menschen aktuell abspielt. Zuletzt berichtete der Guardian über die Sorgen der Lehrkräfte in Großbritannien über den wachsenden Einfluss von Andrew Tate auf Kinder und Jugendliche. Sie beobachten, dass Jungen die Aussagen von Tate wiederholen und ihnen zustimmen: "Teachers say boys are often sucked into his 'glamorous' ultra-macho world by more benign content on fast cars or fitness. But in his videos he also says women are a man's property, cannot do jobs as well as men, and belong at home." Inzwischen berichten Medien, dass die Serie in allen Sekundarschulen in Großbritannien gezeigt werden sollen.
Andrew Tate und sein Einfluss auf eine Generation
Andrew Tate inszeniert sich auf Social Media als "Idealtypus des Mannes": muskulös, tonangebend, unapologetisch. Er bezeichnet Frauen u.a. als "Besitz von Männern" und vergleicht sie mit Hunden - Frauenfeindliche Inhalte sind bei ihm die Regel. Derzeit laufen gegen Andrew Tate und seinen Bruder Tristan strafrechtliche Ermittlungen wegen mehrfacher Vergewaltigung, Menschenhandel und der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Doch seine Fans loben ihn dafür, dass er "männliches Empowerment" fördere.
In der taz erklärt Autorin Susanne Kaiser, die sich seit Jahren mit patriarchalen Strukturen, Antifeminismus und Männlichkeitsbildern beschäftigt: "Er erklärt jungen Männern, die in ihrer Männlichkeit verunsichert sind, wie sie zu Geld und Erfolg kommen. Er funktioniert als Ratgeber und das ist die Masche, die ihn so erfolgreich macht." Andere Expert:innen, die sich mit Andrew Tate und seinem Einfluss über Social Media auseinandersetzen, beobachten in seinem Verhalten Taktiken des Grooming oder vergleichen sein Vorgehen mit der Radikalisierung im Islamismus oder Rechtsextremismus.
Sexismus und Gewalt gegen Frauen in Deutschland
Laut dem BMBFSJ wird in Deutschland "jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt; etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder durch ihren früheren Partner." Hinzu kommen die Ergebnisse der Leipziger Autoritarismusstudie von 2022, die einem Drittel der Männer ein geschlossen antifeministisches und sexistisches Weltbild bescheinigt.
Brigitte Temel forscht am Wiener Institut für Konfliktforschung zu Incels und der sogenannten Mannosphäre. Sie erklärt in der taz: "Die Räume der Mannosphäre sind nicht mehr abgetrennt. Diese Leute verschieben Debatten - spätestens, wenn sie bei TikTok, Instagram oder YouTube geklickt werden." Männer dieser Sphäre glauben, dass der Feminismus die Gesellschaft dominiere und Männer unterdrücke. Nach ihrer Ansicht seien Frauen aufgrund von biologisch feststehender Geschlechterrollen darauf programmiert, auf dominante Muskelprotze zu stehen, die sie unterdrücken. Angeblich hätten nur Männer mit hohem Status (durch Aussehen oder Karriere) Erfolg beim Dating. Mithilfe von Coachings und Fitnesstrainings versuchen diese Männer, zu einem sogenannten "Alpha-Mann" aufzusteigen und diesen Status zu erreichen.
Komplexe Ursachen brauchen ganzheitliche Lösungsansätze
Wie die Serie Adolescence darstellt, sind die Ursachen für den Einstieg in die Mannosphäre, Incel-Bewegung oder Anhängerschaft von Andrew Tate komplex. Letztendlich zielt die Manipulation durch diese Persönlichkeiten auf verunsicherte junge Männer, die nach Orientierung und Verbundenheit suchen. Sie finden hier Anschluss an eine Gruppe und erfahren Bestätigung. Es wird ihnen leicht gemacht, die Schuld auf andere, in diesem Fall das weibliche Geschlecht, zu schieben. Ihre Vorbilder versprechen ihnen einfache Wege zum Erfolg.
Wie können Eltern, pädagogische Mitarbeitende, Lehrkräfte und Schulleitungen damit umgehen und jungen Menschen helfen, sich vor diesen Einflüssen zu schützen? Wir brauchen Angebote für Kinder und Jugendliche, die sich als männlich identifizieren, in denen sie selbstwirksame Erfahrungen machen können, um ihre Identität zu stärken. Sie müssen positive Vorbilder kennenlernen können, die eine Rolle des "Mannes" im Einklang mit Gleichberechtigung vertreten. Sie brauchen Bezugspersonen, die ihnen aktiv zuhören und ihren Bedürfnissen Aufmerksamkeit schenken.
Es ist unsere Aufgabe, ihre emotionale und soziale Intelligenz zu fördern und sie in ihrer Medienkompetenz zum Aufbau digitaler Resilienz zu stärken. Bei MyGatekeeper gestalten wir unsere Lern- und Erfahrungsräume bedürfnisorientiert. Mit Formaten wie den Role Model Workshops und Lernangeboten zu Cybermobbing, Chancen und Gefahren von Medien sowie Fake News fördern wir Digitale Bildung in Schulen.
Setzen Sie sich mit uns direkt in Verbindung, wenn Sie Unterstützung suchen, um mit jungen Menschen in den Dialog über Misogynie, Antifeminismus und Persönlichkeiten wie Andrew Tate zu kommen. Gemeinsam gestalten wir eine Zukunft, in der alle Menschen sicher, frei und gleichberechtigt und in Verbundenheit aufwachsen können.