Wie umgehen mit Misogynie und Männlichkeitsbildern in der Schule?

Veröffentlicht am 15. April 2025 von Madita Hänsch.

Die Netflix-Serie Adolescence zeigt den Einfluss von Social Media auf junge Menschen und thematisiert die Gefahren von toxischer Männlichkeit und der Incel-Bewegung. Wie können wir junge Menschen vor diesen Einflüssen schützen und ihre Entwicklung in einer von Misogynie geprägten digitalen Welt fördern?

Zwei Jungen sitzen auf einer Treppe und schauen auf ein Smartphone

Die Mi­ni­se­rie Ado­lescence von Net­flix hat in Po­li­tik, Ge­sell­schaft, vor al­lem im Bil­dungs­sys­tem eine De­bat­te um den Um­gang mit dem Ein­fluss von So­ci­al Me­dia auf jun­ge Men­schen aus­ge­löst. Die Se­rie be­han­delt die The­men to­xi­sche Männ­lich­keit, die Fol­gen der In­cel-Be­we­gung und den Ein­fluss von Per­sön­lich­kei­ten wie An­drew Tate über So­ci­al Me­dia auf eine gan­ze Ge­nera­ti­on. Nach­dem der 13-Jäh­ri­ge Ja­mie sei­ne Mit­schü­le­rin er­mor­det hat, ver­su­chen die Men­schen aus sei­nem Um­feld her­aus­zu­fin­den, was sein Mo­tiv für die Tat war. "Die Se­rie stellt ihre be­drü­cken­de The­se auf: Es gibt nicht das eine Mo­tiv, son­dern vie­le", schreibt die taz. So wird ein kom­ple­xes Bild von Ur­sa­chen und Wir­kun­gen ge­spon­nen, das aus dem fa­mi­liä­ren und dem schu­li­schen Um­feld, der Peer-Group, dem Ein­fluss von So­ci­al Me­dia und Cy­ber­mob­bing er­wächst.

Die Se­rie be­fasst sich mit ei­nem ernst­zu­neh­men­den Phä­no­men, das sich in der Rea­li­tät der jun­gen Men­schen ak­tu­ell ab­spielt. Zu­letzt be­rich­te­te der Guar­di­an über die Sor­gen der Lehr­kräf­te in Groß­bri­tan­ni­en über den wach­sen­den Ein­fluss von An­drew Tate auf Kin­der und Ju­gend­li­che. Sie be­ob­ach­ten, dass Jun­gen die Aus­sa­gen von Tate wie­der­ho­len und ih­nen zu­stim­men: "Tea­chers say boys are of­ten su­cked into his 'glamo­rous' ul­tra-ma­cho world by more be­nign con­tent on fast cars or fit­ness. But in his vi­de­os he also says wo­men are a man's pro­per­ty, can­not do jobs as well as men, and be­long at home." In­zwi­schen be­rich­ten Me­di­en, dass die Se­rie in al­len Se­kun­dar­schu­len in Groß­bri­tan­ni­en ge­zeigt wer­den sol­len.

An­drew Tate und sein Ein­fluss auf eine Ge­nera­ti­on

An­drew Tate in­sze­niert sich auf So­ci­al Me­dia als "Ide­al­ty­pus des Man­nes": mus­ku­lös, ton­an­ge­bend, un­a­po­lo­ge­tisch. Er be­zeich­net Frau­en u.a. als "Be­sitz von Män­nern" und ver­gleicht sie mit Hun­den - Frau­en­feind­li­che In­hal­te sind bei ihm die Re­gel. Der­zeit lau­fen ge­gen An­drew Tate und sei­nen Bru­der Tris­tan straf­recht­li­che Er­mitt­lun­gen we­gen mehr­fa­cher Ver­ge­wal­ti­gung, Men­schen­han­del und der Bil­dung ei­ner kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung. Doch sei­ne Fans lo­ben ihn da­für, dass er "männ­li­ches Em­power­ment" för­de­re.

In der taz er­klärt Au­torin Su­san­ne Kai­ser, die sich seit Jah­ren mit pa­tri­ar­cha­len Struk­tu­ren, An­ti­fe­mi­nis­mus und Männ­lich­keits­bil­dern be­schäf­tigt: "Er er­klärt jun­gen Män­nern, die in ih­rer Männ­lich­keit ver­un­si­chert sind, wie sie zu Geld und Er­folg kom­men. Er funk­tio­niert als Rat­ge­ber und das ist die Ma­sche, die ihn so er­folg­reich macht." An­de­re Ex­pert:in­nen, die sich mit An­drew Tate und sei­nem Ein­fluss über So­ci­al Me­dia aus­ein­an­der­set­zen, be­ob­ach­ten in sei­nem Ver­hal­ten Tak­ti­ken des Groo­m­ing oder ver­glei­chen sein Vor­ge­hen mit der Ra­di­ka­li­sie­rung im Is­la­mis­mus oder Rechts­ex­tre­mis­mus.

Se­xis­mus und Ge­walt ge­gen Frau­en in Deutsch­land

Laut dem BMB­FSJ wird in Deutsch­land "jede drit­te Frau min­des­tens ein­mal in ih­rem Le­ben Op­fer von phy­si­scher und/oder se­xua­li­sier­ter Ge­walt; etwa jede vier­te Frau wird min­des­tens ein­mal Op­fer kör­per­li­cher oder se­xua­li­sier­ter Ge­walt durch ih­ren ak­tu­el­len oder durch ih­ren frü­he­ren Part­ner." Hin­zu kom­men die Er­geb­nis­se der Leip­zi­ger Au­to­ri­ta­ris­mus­stu­die von 2022, die ei­nem Drit­tel der Män­ner ein ge­schlos­sen an­ti­fe­mi­nis­ti­sches und se­xis­ti­sches Welt­bild be­schei­nigt.

Bri­git­te Te­mel forscht am Wie­ner In­sti­tut für Kon­flikt­for­schung zu In­cels und der so­ge­nann­ten Man­no­sphä­re. Sie er­klärt in der taz: "Die Räu­me der Man­no­sphä­re sind nicht mehr ab­ge­trennt. Die­se Leu­te ver­schie­ben De­bat­ten - spä­tes­tens, wenn sie bei Tik­Tok, In­sta­gram oder You­Tube ge­klickt wer­den." Män­ner die­ser Sphä­re glau­ben, dass der Fe­mi­nis­mus die Ge­sell­schaft do­mi­nie­re und Män­ner un­ter­drü­cke. Nach ih­rer An­sicht sei­en Frau­en auf­grund von bio­lo­gisch fest­ste­hen­der Ge­schlech­ter­rol­len dar­auf pro­gram­miert, auf do­mi­nan­te Mus­kel­prot­ze zu ste­hen, die sie un­ter­drü­cken. An­geb­lich hät­ten nur Män­ner mit ho­hem Sta­tus (durch Aus­se­hen oder Kar­rie­re) Er­folg beim Da­ting. Mit­hil­fe von Coa­chings und Fit­ness­trai­nings ver­su­chen die­se Män­ner, zu ei­nem so­ge­nann­ten "Al­pha-Mann" auf­zu­stei­gen und die­sen Sta­tus zu er­rei­chen.

Kom­ple­xe Ur­sa­chen brau­chen ganz­heit­li­che Lö­sungs­an­sät­ze

Wie die Se­rie Ado­lescence dar­stellt, sind die Ur­sa­chen für den Ein­stieg in die Man­no­sphä­re, In­cel-Be­we­gung oder An­hän­ger­schaft von An­drew Tate kom­plex. Letzt­end­lich zielt die Ma­ni­pu­la­ti­on durch die­se Per­sön­lich­kei­ten auf ver­un­si­cher­te jun­ge Män­ner, die nach Ori­en­tie­rung und Ver­bun­den­heit su­chen. Sie fin­den hier An­schluss an eine Grup­pe und er­fah­ren Be­stä­ti­gung. Es wird ih­nen leicht ge­macht, die Schuld auf an­de­re, in die­sem Fall das weib­li­che Ge­schlecht, zu schie­ben. Ihre Vor­bil­der ver­spre­chen ih­nen ein­fa­che Wege zum Er­folg.

Wie kön­nen El­tern, päd­ago­gi­sche Mit­ar­bei­ten­de, Lehr­kräf­te und Schul­lei­tun­gen da­mit um­ge­hen und jun­gen Men­schen hel­fen, sich vor die­sen Ein­flüs­sen zu schüt­zen? Wir brau­chen An­ge­bo­te für Kin­der und Ju­gend­li­che, die sich als männ­lich iden­ti­fi­zie­ren, in de­nen sie selbst­wirk­sa­me Er­fah­run­gen ma­chen kön­nen, um ihre Iden­ti­tät zu stär­ken. Sie müs­sen po­si­ti­ve Vor­bil­der ken­nen­ler­nen kön­nen, die eine Rol­le des "Man­nes" im Ein­klang mit Gleich­be­rech­ti­gung ver­tre­ten. Sie brau­chen Be­zugs­per­so­nen, die ih­nen ak­tiv zu­hö­ren und ih­ren Be­dürf­nis­sen Auf­merk­sam­keit schen­ken.

Es ist un­se­re Auf­ga­be, ihre emo­tio­na­le und so­zia­le In­tel­li­genz zu för­dern und sie in ih­rer Me­di­en­kom­pe­tenz zum Auf­bau di­gi­ta­ler Re­si­li­enz zu stär­ken. Bei My­Ga­te­kee­per ge­stal­ten wir un­se­re Lern- und Er­fah­rungs­räu­me be­dürf­nis­ori­en­tiert. Mit For­ma­ten wie den Role Mo­del Work­shops und Lern­an­ge­bo­ten zu Cy­ber­mob­bing, Chan­cen und Ge­fah­ren von Me­di­en so­wie Fake News för­dern wir Di­gi­ta­le Bil­dung in Schu­len.

Set­zen Sie sich mit uns di­rekt in Ver­bin­dung, wenn Sie Un­ter­stüt­zung su­chen, um mit jun­gen Men­schen in den Dia­log über Mi­so­gy­nie, An­ti­fe­mi­nis­mus und Per­sön­lich­kei­ten wie An­drew Tate zu kom­men. Ge­mein­sam ge­stal­ten wir eine Zu­kunft, in der alle Men­schen si­cher, frei und gleich­be­rech­tigt und in Ver­bun­den­heit auf­wach­sen kön­nen.

Der steigende Anteil an jungen Menschen, die riskante oder pathologische Nutzung von Social Media zeigen, ist besorgniserregend. Doch nicht nur die Suchtgefahr stellt ein Problem dar – auch die psychischen Auswirkungen durch ständige Vergleiche und den Konsum verzerrter Inhalte sind alarmierend. Während die digitale Welt viele Chancen bietet, ist es von entscheidender Bedeutung, junge Menschen in ihrer Medienkompetenz zu stärken, um sie vor den Risiken zu schützen.